Ich habe über zehn Jahre als Innenarchitektin gearbeitet und dabei viele Baustellen gesehen. Am Anfang war es ganz schön beängstigend, plötzlich verantwortlich dafür zu sein, dass am Ende ein schönes Ergebnis aus all dem Chaos entsteht. Irgendwann konnte ich diese Umbauprozesse aber entspannt und souverän begleiten, weil ich wusste, welche Phasen dazu gehören und wieviel Zeit einzelne Arbeitsschritte brauchen, bevor Ergebnisse sichtbar werden…
Beim Aufbau meines kreativen Business als Coach hatte ich diese Gelassenheit dann plötzlich gar nicht mehr, weil ich überhaupt nicht gesehen habe, wieviel von meiner Erfahrung und meinem Wissen aus der Arbeit als Innenarchitektin übertragbar sind. Das Wort „Aufbau“ oder auf englisch „business building“ hätte mich aufhorchen lassen können aber manchmal sind die Dinge schwer zu sehen, wenn man mittendrin steckt, stimmt’s?
Wenn ich mit meiner heutigen Erfahrung als Innenarchitektin und Coach also Prozesse der Veränderung, z.B. den Schritt in die Selbständigkeit, anschaulich beschreiben soll, dann mache ich das so:
Bei einer Wohnungsrenovierung oder einem Hausumbau haben wir alle eine Idee, wie der Prozess ungefähr abläuft. Es startet mit dem Ist-Zustand, der uns nicht mehr glücklich macht, und mit einem Wunsch nach Veränderung…
Meistens ist es zuerst nur eine kleine Veränderungsidee, die uns am Ärmel zupft und um Aufmerksamkeit bittet. Mit der Zeit lässt uns diese Idee aber keine Ruhe mehr und wir stellen uns vor, wie schön es sein könnte, wenn wir sie wirklich umsetzen…
Wir sprechen darüber mit Freunden und Familie und manchmal lautet die Antwort: „Wieso willst du das denn machen, ist doch noch alles ok so! Wieso lässt du es denn nicht so, wie es ist? Überleg nur, die viele Arbeit und das Geld...!“
Mmmhhh, tja – diese Einwände können uns ins Schwanken bringen, je nachdem, wie sicher wir uns unserer Sache sind. Manchmal ist ja auch hilfreich, nochmal genau zu überlegen: Bin ich wirklich bereit dafür, Zeit, Geld und Energie in diese Maßnahme zu investieren?
Wenn die Antwort „Ja“ lautet, müssen wir zuerst überlegen, was wir genau verändern wollen, und wie das Haus oder der Raum zukünftig aussehen soll – also Inspiration sammeln, Moodboards gestalten, Skizzen machen, eventuell Unterstützung von einem Profi dazu holen, Pläne zeichnen, Kostenschätzungen erstellen und die richtigen Partner zur Umsetzung finden...
Dann geht’s los mit dem Veränderungsprozess und die Baustelle wird eröffnet!
Baustelle bedeutet: Es wird chaotisch, es wird laut, es wird unbequem, es wird dreckig und erst einmal müssen wir uns einschränken für eine gewisse Zeit.
Es beginnt mit dem Abriss und manchmal kommen erst dann Dinge zum Vorschein, die man vorher gar nicht erahnen konnte und die eine Anpassung der Pläne notwendig machen oder die den Bauablauf verzögern oder das geplante Budget überschreiten. Das ist völlig normal und die einzig hilfreiche Strategie dabei lautet: Nerven bewahren!
Emotional kann diese Phase schwierig sein: Wo vorher alles geordnet und sauber war, klaffen jetzt Löcher in Wänden und alle Möbel und Materialien steht kreuz und quer im Raum und das ist nicht so leicht auszuhalten!
Manche Arbeiten dauern länger, als man es erwartet hätte und eine Weile fühlt es sich an, als würde es kaum Fortschritt geben.
Die Grundlagen werden geschaffen und von denen sieht man später fast gar nichts, aber ohne sie macht das Projekt gar keinen Sinn! Leitungen werden verlegt, Wände neu gestellt, Böden abgeschliffen… Zweifel machen sich breit: Wann lichtet sich endlich das Chaos?
Meiner Erfahrung nach gibt es einen Punkt, an dem man der Verzweiflung ob einer jeden Baustelle sehr nah ist und denkt:
„Es wird niemals fertig werden! Hilfe!“
…und dann geht es plötzlich ganz schnell: Abdeckplanen werden weggeräumt, Ergebnisse werden sichtbar, die Oberflächen werden fertiggstellt, die Farben kommen in die Räume, die finalen Möbel und Objekte finden ihren Platz und plötzlich kommt alles zusammen: Es gibt kaum ein schöneres Gefühl – die Dinge fügen sich!
Endlich wird das, was man sich so lage erträumt und ausgemalt hat, in der Realität greifbar und sichtbar, das ist so toll!
Natürlich gibt es dann immer noch Arbeiten, die noch nicht ganz fertig sind und Nachbesserung, die dann gemacht werden, auch wenn die Räume schon genutzt werden – aber der wichtigste Schritt ist geschafft...
Ohne die Baustellenphase ist all das aber nicht möglich: Es gibt kein magisches Fingerschnipsen und „Zack!“ ist alles neu gemacht.
Ja, man muss bereit sein für diese Baustellenphase – und das gilt auch für den Schritt in die Selbständigkeit und die Gründung eines kreativen Business –, denn ohne diese Phase ist Veränderung nicht möglich. Wir können aber immer schauen, wieviel Baustelle wir gerade vertragen: kompletter Hausumbau mit Versetzen der Wände oder vielleicht lieber erst einmal ein neues Farbkonzept für einen Raum? Alles ist möglich und auch kleine Veränderungen können einen großen Unterschied machen und Mut geben für den nächsten Umbau…
Nur alles so lassen wie es ist, bloß weil wir uns an die ganz große Veränderung noch nicht wagen, das ist Blödsinn. Dann verändert sich ja nie etwas und wir finden irgendwann keine Ecke in unserem Zuhause mehr, in der wir uns so richtig wohlfühlen…
Life is messy – es lebe die Baustelle!
Pinne diesen Artikel für später: